Christian Schiester

Gehören Sie auch zu jenen, die schon mehrmals versucht haben, etwas mehr Bewegung zu machen, ein paar Kilos zu verlieren und mit dem Rauchen aufzuhören? Die aber letztlich immer wieder ihre Vorsätze über den Haufen geworfen haben? – Es gibt ja die unterschiedlichsten Wege und Methoden, die das Durchhalten ermöglichen. Wir möchten Ihnen diesmal eine dieser Methoden präsentieren und Ihnen damit Mut machen, Ihr Leben in Richtung Gesundheit zu verändern. Lesen Sie, wie ein 100 Kilogramm schwerer Kettenraucher und Bewegungsmuffel zum Extremläufer wurde. Und das trotz mehrfacher Rückschläge.

100,7 ist für Christian Schiester beinahe eine magische Zahl, die er nicht so schnell vergisst. Denn 100 Kilogramm und 70 Dekagramm ist das Rekordgewicht, das er einst auf die Waage gebracht hat. Dazu kamen 40 Zigaretten am Tag; manchmal konnten es auch 60 sein, wenn er mit seinen Freunden zusammen hockte und Bier trank. Dementsprechend war auch seine Fitness und seine Beweglichkeit. Wenn mir im Büro ein Kugelschreiber runtergefallen ist, dann habe ich mir ernsthaft überlegt, ob ich ihn aufheben oder mir einen neuen aus der Lade nehmen soll, bekennt er rückblickend mit einem Lachen.

Heute hat der in der Obersteiermark beheimatete 40-jährige Schiester 35 Kilogramm weniger und ist stolzer Inhaber von 26 steirischen Landesmeistertiteln im Halbmarathon, Marathon, Berglauf und Crosslauf. Sein größter Erfolg: der souveräne Sieg beim mehrtägigen Himalaya-Run im Herbst letzten Jahres. Dazu kommt eine ungemein große Freude an seiner Fitness und der unwiderstehliche Drang, täglich Sport zu betreiben.

Schlüsselerlebnis
beim Arzt

Wie ist diese Wandlung vom 100-Kilo-Bröckerl zum Extremsportler zu erklären? – Schiester: Es war am Aschermittwoch vor 16 Jahren. Ich habe es am Morgen nach einer feucht fröhlichen Faschingsnacht nicht geschafft, im Stehen meine Socken anzuziehen. Da dachte ich mir: so kann das nicht weitergehen! Noch am selben Tag ging er zum Arzt und absolvierte eine Gesundenuntersuchung. Zu seinen katastrophalen Werten (Ruhepuls von 93; auch dies für ihn eine magische Zahl, die er nicht vergisst. Heute beträgt sein Ruhepuls übrigens 32 Schläge) kam auch noch eine beunruhigende Prognose. Der Doktor sagte, wenn ich so weitermache, dann habe ich mit 30 sicherlich gesundheitliche Probleme. Schiester war damals Anfang 20. Ein junger Risikopatient sozusagen.

Eine gewisse Kämpfernatur muss man dem Steirerman allerdings schon zur damaligen Zeit attestieren. Denn auf die Drohung des Arztes folgte sein eiserner Entschluss die Ernährung umzustellen und abzunehmen. Allerdings fiel er dabei ins andere Extrem und futterte zwei Monate lang nur Rohkost. Kein Fleisch, kein Brot, keine Milchprodukte – nur ungekochtes Obst und Gemüse. Mit scheinbarem Erfolg, denn 15 Kilo brachte er mit dieser Radikalkur weg. Die waren jedoch schnell wieder oben, als er mit seinen Eß- und Lebensgewohnheiten wieder dort weiter machte, wo er vor der Kur aufgehört hatte.

Unglaubliche Motivation
trotz Rückschlägen

Doch Schiester, der damals noch bei der Post arbeitete, gab nicht auf. Er probierte es noch einmal mit Diät. Dabei besann er sich, dass er auch seinen Verbrennungsmotor ankurbeln könnte – sprich: sich mehr zu bewegen und dadurch mehr Kalorien zu verbrennen. Und weil sein Nachbar durch Joggen 20 Kilo abgenommen hatte, so kaufte sich auch Schiester Laufschuhe und begann ebenfalls zu joggen.

Dass er in dieser Sportart anfangs nichts drauf hatte, entmutigte ihn nicht. Brav legte er nach zwei oder drei Minuten laufen eine Gehpause ein, um dann wieder langsam weiterzutraben. Schiester – der auch mit dem Rauchen aufhörte – wurde mit der Zeit besser. Wie viele, die sich vom Couch potatoe zum Hobbysportler wandeln, bemerkte auch er bei sich gewisse Fortschritte. Er konnte immer weiter laufen und verlor außerdem Gewicht. Und er fühlte sich fitter und dadurch glücklicher. Seine kleinen Erfolge ließen ihn schließlich übermütig werden, und so wollte er eines Tages seine Form überprüfen. Also nahm er an einem 10-Kilometer-Lauf teil. Das hätte er lieber nicht tun sollen, denn er verausgabte sich zur Gänze und gab nach acht Kilometern völlig fertig auf.

Das Stehaufmanderl

Andere hätten spätestens jetzt ihre Vorsätze über Bord geworfen, aber der Sport-Neuling hatte bereits Lunte gerochen. Daher war auch dieses Negativerlebnis für ihn kein Grund, von seinem eingeschlagenen Weg abzuweichen. Seine bemerkenswerte Schlussfolgerung: “Ich wusste jetzt, dass ich acht Kilometer laufen konnte, bis der Ofen aus ist. Also nahm ich beim nächsten Mal an einem 7-Kilometer-Lauf teil. Diese Rechnung ist aufgegangen, ich hab den Lauf geschafft. Doch im Zielsprint musste ich mich einem 72-jährigen geschlagen geben und bin Drittletzter geworden”.

Kaum zu glauben, aber auch das hat ihn nicht zurückgeworfen, im Gegenteil! Stehaufmanderl Schiester hat weiter gemacht, hat immer mehr trainiert und ließ sich auch nicht davon abbringen weiterhin an Bewerben teil zu nehmen. Allerdings hat er sich realistische Zwischenziele gesteckt. So hat er sich zunächst einmal vorgenommen, unter die ersten 100 eines Bewerbes zu laufen. Irgendwann zählte er zu den besten 20 eines Wettbewerbes und eines Tages schaffte er es auf das Stockerl.

Wenn`s läuft, dann läuft`s !

Wenn`s amol laft, dann laft`s pflegt der Exschirennläufer und Fernsehmoderator Armin Assinger über den Aufwärtstrend eines Sportlers zu sagen. Und so ist es auch mit der sportlichen Karriere des Christian Schiester stetig bergauf gegangen. Eineinhalb Jahre nach dem denkwürdigen Aschermittwoch absolvierte er bereits seinen ersten Marathon in New York (er hat dafür nur knapp über drei Stunden benötigt – für einen Neuling eine großartige Zeit). Ein halbes Jahr später gewann er den ersten Titel Halbmarathon Meister 1991 in Graz. Weitere Titel folgten in schöner Regelmäßigkeit.

Für Christian Schiester waren allerdings die Urkunden und Medaillen nicht das Wichtigste, sondern durch das Laufen entwickelte er eine unglaubliche Zufriedenheit mit seiner Fitness. Ich hab mich als Sportler rundum wohl gefühlt. Mein Körper, der früher mein Sorgenkind war, hat mir jetzt riesige Freude bereitet. Auch das Gewicht hat jetzt automatisch gepasst, weil ich mich regelmäßig bewegte.

Das Glücksgefühl dürfte für den Sportler mit ein Grund sein, dass es keinen Tag gibt, an dem er nicht Sport betreibt. Selbst wenn er um 22 Uhr von

der Arbeit nach Hause kommt, ist noch ein bisschen Sport angesagt. Er trabt dann noch eine Weile auf seinem Laufband. Ich kann nur jedem empfehlen: Such dir eine Bewegungsart, die dir Freude macht, und mach sie so oft du kannst. Egal, um welche Sportart es sich handelt, so Schiester. Und was ist, wenn das Wetter schlecht ist? – Schlechtes Wetter gibt es nicht, nur schlechte Kleidung. Aber man muss ja nicht unbedingt raus ins Freie. Man kann schließlich auch beim Fernsehen am Heimtrainer radeln oder auf der Matte ein paar Übungen machen. Wichtig ist: Tu etwas für deine Gesundheit! .

Hartes Training

Schiester, der inzwischen von erfahrenen Trainern und Sportärzten betreut wird, betreibt aber nicht nur der Gesundheit wegen Sport. Er kann sich auch quälen. Wenn er sich auf bestimmte Bewerbe wie zum Beispiel den Himalaya-Run vorbereitet, geht er überaus diszipliniert vor. So spult er auch an einem heißen Sommertag, wenn andere zum Badesee gehen, sein Training ab. Auch Monate vor dem Bewerb, wenn also das Ziel noch weit weg ist, bleibt er konsequent und lässt keine Trainingseinheit aus. Bis zu 300 Lauf-Kilometer pro Woche kann er dann als Trainingspensum verbuchen. Ich habe das Glück, dass ich mit meinem Chef die Abmachung treffen konnte, mir meine Arbeitszeit frei einteilen zu können. Auch meine Familie spielt Gott sei Dank mit. So kann ich mein Training ganz gut organisieren

Heute erstaunt er die Ärzte aus einem anderen Grund: als er – ohne sich als Spitzensportler zu erkennen zu geben – während einer Gesundenuntersuchung (die er regelmäßig macht!) am Ergometer strampelte, erbrachte er so starke Leistungen, dass der untersuchende Arzt seine Assistentin bat, die Kabeln und Leitungen des Gerätes zu überprüfen. Was sie tat, doch Schiesters Leistungen blieben auch danach überdurchschnittlich hoch. Dann kümmerte sich der Arzt selbst um die Technik, konnte aber ebenfalls keinen Fehler finden. Schließlich hat sich der Patient als Extremsportler geoutet und das untersuchende Team aufgeklärt. Denn bis dahin hat in jener Ordination nur einer so starke Leistungen auf dem Ergometer erbracht: der Extremradler und mehrfache Gewinner des Race across America, Wolfgang Fasching.

Genuss kommt nicht zu kurz

Lebt eigentlich ein Extremsportler asketisch? – Schiester verneint. Aber: Alles zu seiner Zeit. Wenn ich mich auf einen Wettbewerb vorbereite und hart trainiere, dann trinke ich keinen Tropfen Alkohol. Aber wenn ich eine gemütlichere Phase habe so wie im Winter, dann gönne ich mir schon ein Glas guten Rotwein mit Freunden und rauche auch mal eine Zigarre oder Pfeife. Zum Beispiel habe ich bei der Siegerehrung zum Himalaya-Run in Indien ganz genüsslich eine Pfeife mit süßem Kirschtabak geraucht. Sozusagen als Belohnung für die mehrtägige Anstrengung.

Der Extremsportler kann sich in Zukunft sehr wohl ein Leben ohne Wettkämpfe vorstellen. Ich habe nicht den Ehrgeiz, in einigen Jahren die Wettkämpfe in der Altersklasse der 50- oder 60-Jährigen zu gewinnen. In diesem Alter will ich nur mehr zum Spaß Sport betreiben, sagt er. Also Joggen, Langlaufen, Schifahren, Radfahren usw. Doch momentan ist er für extreme Ausdauerbewerbe im besten Alter, da denkt er noch nicht ans Aufhören. Im Winter trainiert er relativ gemütlich – er läuft täglich ein Stünderl und strampelt am Hometrainer. Ganz sicher wird ihm ein extremer Bewerb bei seinem täglichen Training einfallen. Oder doch eher bei einem Glas Rotwein und einer guten Pfeife?

Im Oktober 2006 spulte er beinharte 202 km durch den brasilianischen Urwald ab und feierte einen großen Erfolg als gesamt Dritter unter 62 andern Extremsportlern aus aller Welt.